Stockholmmarathon 2016

Die Terminierung so eng nach dem Helgolandmarathon, war etwas mehr als ungünstig, aber das war meiner Familie, von der ich den Startplatz mit Reise zu Weihnachten geschenkt bekam, nicht ganz geläufig, oder wurde mit dem Glauben „Das schafft der schon“ hingenommen. Nunja, ich bin in der Bringschuld…

Laufen ist etwas Wunderbares, der Sport braucht nicht viel Zubehör und man kann ihn überall betreiben. Man ist mit der Zeit uns sich alleine, hat viele  Möglichkeiten, die Gedanken schweifen zu lassen, Probleme zu lösen,  neue Ideen zu kreieren usw. usf.

Dass Helgoland für mich nicht gerade DER Kracher war, wie bekannt ist, aber eine neue, unbekannte Strecke ermöglicht es mir, ganz ohne Druck da ranzugehen, also starte ich frei weg. Ich kann mir nur selbst im Weg stehen. Mittlerweile ist Marathon alltäglich und doch kribbelt es immer wieder, wenn man diese gewaltige Streckenlänge vor sich hat und der Countdown zum Startschuss fällt. Der Kopf ist leer, man hört auf zu denken,  und rennt einfach los. Auf den ersten km entscheidet sich dann, wie das Rennen abläuft und wenn man sein Tempo gefunden hat, schaltet sich der Kopf wieder ein und peitscht einen an, wenn es nicht mehr geht. Meist klappt das auch, aber  es gibt, wie kürzlich festgestellt, noch Witterungsfaktoren, die alles blockieren lassen und man schafft es nicht mehr so wie man möchte…

Die Tage vor einem Lauf im Ausland wird meist mit einen vollgestopften Kulturprogramm zugebracht, wo ohnehin schon sehr viel gelaufen wird. Meine beruflich weitgerreiste und englischsprachig sehr versierte Lebensgefährtin macht es mir einfach, mein rudimentären Englischkenntnisse nicht mühsam ausgraben zu müssen… Bei ihr macht es sich vorteilhaft, wenn man jahrelang in Australien und England, sowie Asien und Afrika gelebt hat und in Amerika Urlaub machte…

Stockholm besteht aus 30 Inseln, 50 Brücken, („Venedig des Nordens“)die irgendwie alle miteinander verbunden sind, und wenn es nur Fährverbindungen sind, die einen von A nach B bringen. Bemerkenswert ist nicht nur das durchaus ansprechende Äußere der Bewohner Schwedens und damit meine ich nicht nur die Damen (die ein Augenschmaus sind…),nein auch die Herren der Schöpfung wirken sehr gepflegt und modisch ansprechend. Nicht umsonst wird die Stadt als „Grünes Herz Europas“ bezeichnet, ist sie doch durch großflächige Grünanlagen  wesentlich angenehmer zu ertragen, als manche deutsche Großstadt, in der es wesentlich lauter und verdreckter zugeht. Alles in allem eine sehr angenehme Atmosphäre. Sehenswert sicherlich das WASA-Museum, das Junibacken, wo ein ganzes aufwendig gestaltetes Gebäude die Geschichten Astrid Lindgrens erzählt und man Teile seiner eigenen Kindheit wiederfindet.

Sehr angenehm in dieser Stadt, die am Wasser liegt ist, dass immer etwas Wind weht, was bei den Temperaturen heuer um 25 Grad sehr angenehm war.  Das Schwedische Volk erweist sich als sehr sportlich und sehr naturverwunden, zumindest konnte man in den Mittagspausen und nach Feierabend  immer Leute ausmachen, die entweder liefen, in Parks ihre Übungen machten, oder einfach nur den Sommer genossen. Die Sonne trug ihren Teil an den überfüllten Grünanlagen bei und man konnte den Eindruck gewinnen, das die ganze Stadt irgendwie in deutscher Hand ist.

Die Marathonveranstaltung trägt dazu bei, dass viele Gäste aus dem nahen und fernen Ausland angereist sind.

Am Veranstaltungstag selbst war es zu meinem Unwillen wieder sonnig, aber auch sehr windig, bei ca. 20 Grad. Der recht späte Start um 12.00 Mittags ist nicht gerade vorteilhaft bei dem Wetter, aber lädt doch zum Ausschlafen ein, auch wenn es um 03.00 h schon beginnt, hell zu werden, was den eigenen Körperrhythmus etwas durcheinander bringt…  Unser Hotel im Süden der Stadt war fast voll ausgebucht mit Sportlern und ihren Angehörigen. In gutem Glauben, das gibt heute etwas fuhren wir zum Start. Mein Startbereich war recht weit vorne, dadurch dass ich mit meiner letztjährigen Rekordzeit von 3:26 h gemeldet war und befand mich nur kurz hinter den Topläufern befand, an die ich aber mit meinem Alter nicht mehr rankommen werde… Da habe ich wohl etwas gepennt:-(

Wir kamen mittags am Stadion an, wo man seine Kleiderbeutel abgeben mußte, es war mehr als warm und die Hauptstrasse am Olympiastadion  kurz oberhalb war schon voll mit Läufern ,so weit das Auge reichte, es war für mich als „kleiner Fisch“ ein überwältigendes Bild, das mich so schwer beeindruckte und mir doch naheging, so etwas Großes endlich einmal zu erleben. Gemeldet waren ca. 20000 Läufer und ich würde mich glücklich schätzen unter die ersten 4000 zu kommen, kenne ich doch das Niveau dieser Läufer nur aus dem Fernsehen her. Da fand ich mich nun wieder inmitten dieser „ laufenden Kleinstadt“, Stückweise wurde die Strecke bis zur Startlinie freigegeben und man durfte etappenweise um 10m jeweils vorrücken. Ganz vereinzelt traf ich mal einen Deutschen, mit dem man einige Worte wechsele, aber ein Gros der Masse bestand aus Skandinaviern. Aber auch Teilnehmer aus  den USA, Afrika sowieso(engagierte Topläufer), Australien waren zugegen. Ich war überwältigt und finde auch nicht die richtigen Worte, das gut zu beschreiben, dass es einer versteht, der nicht dabei war. Stockholm ist schon recht profiliert und gespickt mit ekligen Steigungen, aber wenn man sich sein Rennen gut einteilt, kommt man gut voran,

Dass ich zuletzt vor 2 Wochen auf Helgoland die Sache zu couragiert anging, hatte ich gelernt, also nahm ich Tempo raus, hatte meine Technik so eingerichtet, dass ich wußte, ob ich im Zieltempo laufe, oder zu langsam bin. Die „zähe Masse“ an Läufer zog sich durch die Straßen Stockholms. Die Strecke führt über Brücken vorbei an Museen, Palästen, Grünanlagen und man sollte sich Zeit nehmen, diese Art Läufe zu genießen. Da hat mein Ehrgeiz etwas dagegen, der WILL endlich ins Olympiastadion einlaufen. Es bereitete mir schon mächtig Probleme unter so vielen Menschen meinen Schritt zugehen, zumal parkenden Autos ausgewichen werden mußte, hunderten vom Getränkebechern, die an jedem Getränkestand rumlagen, aber von Helfern im Eiltempo von der Strecke gefegt wurden. Aufgrund der Temperaturen hatte man äußerst angenehme Möglichkeiten geschaffen sich abzukühlen, in dem auf der Strecke einige Duschen aufgestellt waren. Es brauchte sage und schreibe 17-18 km, ehe sich das Feld so auseinanderzog, dass man vernünftig freier laufen konnte und dann konnte ich endlich Tempo machen und mich etappenweise durch die Masse nach vorne buddeln. Bei km 25 lag ich mit 2 h voll im Soll, wie schon auf Helgoland… Jetzt nur nicht den Faden verlieren. An 2 Stellen gab es giftige Steigungen und auf der letzten Runde zogen sich die Kilometer wie Gummi und da greift der Kopf ins Geschehen ein, der einem signalisiert. „Du willst ins Stadioneinlaufen, also beweg Dich“…

Sonderbar, dass die Schweden einen Marathon gar nicht so enthusiastisch sehen: Sie stehen zu Tausenden am Straßenrand, hier und da mal eine Sambatruppe, aber kein frenetisches Anfeuern, wie es teilweise in Deutschland der Fall ist. Schade, aber man überlebt es, ist für mich auch nicht wichtig. Am Ende folgte aufgrund der zähen Strecke und der nun beginnenden fehlenden Kraft ein kleiner Einbruch und ich verlor einige Plätze. Der emotionalste Moment nach meinem allersten Zieleinlauf 2004 in Köln stand bevor und sollte für die Nachwelt festgehalten werden.(Auf FB zu sehen…) : Der Einlauf ins Stockholmer Olympiastadion entschädigte für die vergangenen mehr als 3 Std. und ich war vor Ergriffenheit und Begeisterung ein Stück weit den Tränen nahe. So etwas haut einen echt um und man genießt nochmal die letzten Meter, ist überwältigt von dem, was da nach 42km vor einem liegt und schon wieder fehlen mir die Worte, das eindrucksvoll zu beschreiben. Ich glaube, wer schonmal in New York oder einen anderen großen Marathon in der Welt gelaufen ist, weiß wovon ich rede. Das ist Faszination pur, DAS IST MARATHON, verdammte scheiße….:-)))Das ist der Lohn für Arbeit an sich selbst, Lohn für die vielen Stunden Training und es erscheint einem als das Größte, was einem vorkommt.

Mit einer Zeit von 3:26:10 h machte ich die „Schmach von Helgoland“ (2 Wochen zuvor) vergessen, hatte meine zweitbeste Marathonzeit auf meinem 2. internationalen Marathon geholt und bekam eine  Medaille im Ziel, die ebenfalls alles Bisherige übersteigt. Ich wurde von knapp 17500 Finstern 1471. und mit AK-Platz 713 von 9482 fand ich mich erstaunlich weit vorne wieder.

Die Organisation und Nachsorge für die Läufer ist einmalig und sucht seinesgleichen. Egal, ob manch einer vor Abgeschlagenheit die Treppen direkt nach den Ziel zur Kleiderbeutelausgabe auf dem Hintern sitzend runterrobbt, oder gleich rückwärts runtergeht, jeder bekommt ein großes Verpflegungspaket. Dass dieses Jahr der Streckenrekord von einem Kenianer gebrochen wurde, der nach 2:10 h ins Ziel kam, sprach sich schnell herum und besonders die Veranstalter freuten sich, immer näher an die Weltspitze mit ihrem Marathon zu rücken.